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Bundesteilhabegesetz - BTHG

Erläuterungen zum BTHG

Das BTHG tritt in vier Stufen in Kraft, die im Zeitraum von 2017 bis 2023 realisiert werden. Damit gehen umfangreiche Änderungen im Recht der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nach dem SGB IX einher, „welches gewährleistet,dass Menschen mit Behinderungen ausgerichtet an ihren individuellen Bedarfen am Leben in der Gemeinschaft teilhaben können. Die dazu erforderlichen Hilfen werden zukünftig ganzheitlich und personenzentriert ermittelt.“

Stufe 1 (2017):

  • Am 30. Dezember 2016 trat bereits als Vorschaltgesetz der komplette Art. 2 BTHG insbesondere zur Änderung des Schwerbehindertenrechts (Teil 2) in Kraft gemäß Art. 26 Abs. 2 BTHG.
  • Das Arbeitsförderungsgeld für die ca. 300.000 Beschäftigten in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) wurde von zuvor 26 Euro auf 52 Euro monatlich verdoppelt (Neufassung § 43 SGB IX).
  • Die Freibeträge für die Anrechnung von Einkommen aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit sowie die Vermögensschonsbeträge wurden heraufgesetzt. Der Freibetrag für Erwerbseinkommen wurde um bis zu 260 Euro monatlich und für Barvermögen von 2.600 auf 27.600 Euro (durch die neu eingefügten § 60a und § 66a SGB XII) erhöht. Ab 1. April 2017 steigt für alle Hilfen nach dem SGB XII inkl. der existenzsichernden Leistungen der Vermögensschonbetrag von 2.600,- € auf 5.000,- €. Ab 2020 soll dann das bisherige Beurteilungs- und Berechnungssystem durch ein neues, dem Einkommensteuerrecht angeglichenes Verfahren ersetzt werden, die Barvermögensfreigrenze dann rund 50.000 Euro betragen (nur für Leistungen der Eingliederungshilfe nach SGB IX).
  • Es greifen neue Regelungen für eine verbesserte Mitwirkung der Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. Regelhaft wird es in den WfbM nunmehr auch eine Frauenbeauftragte geben.
  • Arbeitsmöglichkeiten der ehrenamtlich tätigen Schwerbehindertenvertretungen in Betrieben und Dienststellen werden durch verschiedene Maßnahmen verbessert: So wird der Schwellenwert für die Freistellung der Vertrauensperson von derzeit 200 schwerbehinderten Menschen im Betrieb auf 100 abgesenkt, der Arbeitgeber übernimmt auch die Kosten einer Bürokraft für die Schwerbehindertenvertretung in erforderlichem Umfang und die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht, ist unwirksam.
  • Im Bereich des Schwerbehindertenausweises gibt es das Merkzeichen „Tbl“ für „taubblind“, wenn bei einem schwerbehinderten Menschen wegen einer Störung der Hörfunktion ein Grad der Behinderung von mindestens 70 und wegen einer Störung des Sehvermögens ein Grad der Behinderung von 100 anerkannt ist. Eine Ausweitung der Nachteilsausgleiche gegenüber denen, die bei Vorliegen dieser beiden Voraussetzungen separat bereits bisher gegeben waren, ist mit der Einführung des neuen Merkzeichens „Tbl“ allerdings nicht verbunden. Schwerbehinderte Menschen, deren mobilitätsbezogene Teilhabeeinschränkung nicht im orthopädischen Bereich liegt, erhalten leichter den ihnen zustehenden Nachteilsausgleich. Denn im Zusammenhang mit der Benutzung von Behindertenparkplätzen wurde klargestellt, dass eine außergewöhnliche Gehbehinderung (Merkzeichen „aG“) nicht nur aufgrund von orthopädischen, sondern beispielsweise auch wegen schwerer Beeinträchtigung innerer Organe vorliegen kann.
  • Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird zu allen versorgungsärztlichen Angelegenheiten durch den Ärztlichen Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin beraten. Dieser Beirat bereitet insbesondere die Fortentwicklung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze vor, die unter anderem für die medizinische Bewertung des Grades der Behinderung maßgeblich sind. Die wichtige Perspektive der Betroffenen und deren Sichtweise auf die Teilhabebeeinträchtigungen werden durch die Einbindung von zwei sachkundigen, mitberatenden tätigen Personen, die von Betroffenenverbänden benannt worden sind, besser berücksichtigt.

Stufe 2 (2018):

  • Am 1. Januar 2018 traten Änderungen bei fast allen Büchern des Sozialgesetzbuchs in Kraft.
  • Obwohl der Komplex „Teilhabe am Arbeitsleben“ aus dem Kontext von Regelungen zur Sozialhilfe herausgenommen werden soll, befinden sich vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Dezember 2019 die betreffenden Vorschriften noch übergangsweise in den §§ 140 bis 145 SGB XII.
  • Durch den geänderten § 35a SGB XI haben nunmehr auch Pflegebedürftige einen Rechtsanspruch auf die Erbringung von Leistungen im Rahmen eines Persönlichen Budgets gegenüber der Pflegekasse, ein Ermessen der Pflegekasse besteht nicht mehr.
  • Aus dem Budget für Arbeit (BfA) können Arbeitgeber bundesweit einen Lohnkostenzuschuss von bis zu 75 Prozent für die Beschäftigung einer wesentlich behinderten (d. h. Eingliederungshilfe-berechtigten) Person erhalten i. S. d. Art. 1 § 61 SGB IX. Arbeitgeber erhalten bei Einstellung von Menschen mit wesentlichen Behinderungen Lohnkostenzuschüsse von in der Regel bis zu 75 Prozent des gezahlten Arbeitsentgeltes. Ergänzend werden die Kosten für die erforderliche Anleitung und Begleitung an der Arbeitsstelle übernommen.
  • Mit der Eröffnung von Alternativen zum Besuch der WfbM durch die Schaffung neuer Angebote „anderer Anbieter“ wird die Teilhabe am Arbeitsleben erweitert. Für die im 1. Teil des SGB IX verankerte Teilhabeplanung treten diese Veränderungen bereits zum 1. Januar 2018 in Kraft.
  • Der leistungsberechtigte Personenkreis ist neu zu bestimmen, und die Feststellung des Hilfebedarfs ist gemäß den Grundsätzen der UN-BRK an ICF-Kriterien auszurichten.
  • Eine vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte „Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)“ soll auf der Grundlage des § 32 SGB IX (neu) eine flächendeckende Beratung der Menschen mit Behinderung sichern und sie vor allem bei Entscheidungen im Vorfeld der Kontaktaufnahme mit den Leistungsträgern unterstützen.
  • Auf Initiative der Bundesländer und Kommunen wurde eine Regelung zur Evaluation der fachlichen und finanziellen Auswirkungen des neuen Rechts in das BTHG neu eingefügt. Um insoweit zu möglichst sicheren und detaillierten Erkenntnissen zu kommen, werden in den Jahren 2017 bis 2019 Modellprojekte gefördert, deren Auswertung wissenschaftlich begleitet werden soll.
  • Durch die Einführung eines neuen Teilhabeplanverfahrens ist ein einziger Reha-Antrag ausreichend, um Leistungen aus einer Hand zu erhalten, auch wenn Sozialamt, Integrationsamt, Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit, Unfall-, Kranken- und Pflegekasse für unterschiedliche Leistungen zuständig sind. Mit Zustimmung oder auf Wunsch der Leistungsberechtigten werden zusätzlich Fallkonferenzen durchgeführt, in denen der individuelle Unterstützungsbedarf der Antragstellenden beraten wird. Damit wird die Partizipation von Menschen mit Behinderungen im Verfahren gestärkt, wenn mehrere Leistungsarten oder Zuständigkeiten in Frage kommen.
  • Das Gesamtplanverfahren knüpft an die zuvor beschriebenen Regelungen zur Teilhabeplanung an und regelt die Spezifika der Eingliederungshilfe. Neben den Leistungsbereichen der anderen Rehabilitationsträger sind auch die zuständigen Pflegekassen, die Träger der Hilfe zur Pflege und die Träger der Hilfe zum Lebensunterhalt zu beteiligen.
  • Zur einheitlichen und überprüfbaren Ermittlung des individuellen Rehabilitationsbedarfs sind alle Rehabilitationsträger ab dem 1. Januar 2018 verpflichtet, systematische Arbeitsprozesse und standardisierte Arbeitsmittel (Instrumente) zu verwenden, die eine individuelle und funktionsbezogene Bedarfsermittlung gewährleisten und weitere gesetzlich definierte Mindeststandards erfüllen müssen.
  • Alle Rehabilitationsträger müssen ab dem 1. Januar 2018 Ansprechstellen benennen, die barrierefreie Informationen zur Inanspruchnahme von Leistungen und zu Beratungsangeboten für Antragsteller, Arbeitgeber und andere Behörden bereitstellen. Damit wird der Zugang zu den Rehabilitationsträgern deutlich vereinfacht. Aufgrund der Verpflichtung der Ansprechstellen, sich untereinander über Zuständigkeitsgrenzen hinweg zu vernetzen, ist es zukünftig nicht mehr entscheidend, ob man die "richtige" Behörde anspricht. Durch eine ab dem 1. Januar 2018 gültige Änderung des § 11 des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz – BGG) sollen Bundesbehörden zudem Menschen mit geistigen und seelischen Behinderungen Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke auf Anforderung in einfacher, verständlicher Weise erklären, wenn nötig auch in Form einer schriftlichen Übertragung in Leichte Sprache.

Stufe 3 (2020)

  • Einsatz von Einkommen und Vermögen: Neue Regelungen zur Einkommens- und Vermögensanrechnung in der Eingliederungshilfe im SGB IX. Es greift ein Vermögensschonbetrag in Höhe von ca. 50.000,- € (in der Hilfe zur Pflege verbleibt es bei einem Betrag von 25.000,- €). Einkommen und Vermögen der Ehe- oder Lebenspartner von Eingliederungshilfe Beziehenden sollen künftig bei der Bedarfsbeurteilung nicht mehr herangezogen werden.
  • Neue Leistungsformen: Die Trennung zwischen ambulanten, teilstationären und stationären Leistungen wird aufgegeben. Es erfolgt eine strikte Trennung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen, nur die Fachleistungen liegen dann noch in der Zuständigkeit des Trägers der Eingliederungshilfe. Für die existenzsichernden Leistungen gelten dann die Bestimmungen des SGB XII für Menschen mit und ohne Behinderung in grundsätzlich gleicher Weise.
  • Abgrenzung der Leistungen in der Eingliederungshilfe und Pflege: Das Verfahren zur Klärung der Zuständigkeiten mehrerer Rehabilitationsträger wird ausgeweitet und präzisiert. Die Leistungen der Pflegeversicherung nach dem SGB XI und die Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX stehen auch zukünftig gleichrangig nebeneinander. Die Abgrenzung von Eingliederungshilfe nach dem SGB IX und Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII soll durch das Lebenslagenmodell erfolgen. Dies bedeutet: „Die Eingliederungshilfe umfasst die Leistungen der häuslichen Hilfe zur Pflege vor Erreichen der Regelaltersgrenze. Dies gilt auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze, soweit erstmals vor diesem Zeitpunkt Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht worden sind. Da die Eingliederungshilfe die Leistungen der Hilfe zur Pflege umfasst, gelten auch insoweit die günstigeren Einkommens- und Vermögensregelungen der Eingliederungshilfe. Bei Personen, die vor Erreichen der Regelaltersgrenze erstmals Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe haben, gilt diese Regelung auch über die Altersgrenze hinaus, soweit die Ziele der Eingliederungshilfe erreicht werden können. Für Personen, die nach der Regelaltersgrenze Pflegebedürftigkeit und Behinderung erleiden, besteht aufgrund der Gleichrangigkeit Zugang zu beiden Leistungen, dann wird die Hilfe zur Pflege als Sozialleistung jedoch nach den Vorschriften der Sozialhilfe erbracht.“
  • Volles Inkrafttreten der Eingliederungshilfe nach SGB IX, Teil 2, wobei einige Teile bereits auf 2018 vorgezogen wurden: Vertragsrecht in Kapitel 8 und Bestimmung der zuständigen Träger der Eingliederungshilfe nach § 94 Abs. 1 SGB IX.

Stufe 4 (2023)

  • Die Unterstützung durch Eingliederungshilfe soll auf die Personen beschränkt werden, die mindestens in fünf von neun neu durch das Gesetz definierten Lebensbereichen Unterstützung benötigen, sofern ein entsprechendes Bundesgesetz beschlossen wird. (neu eingefügter § 99 SGB IX; Inkrafttreten am 1. Januar 2023 geplant). Bis zum 1. Januar 2023 gilt die Definition des leistungsberechtigten Personenkreises weiter wie sie sich bereits jetzt (Stand: März 2017) aus § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII i. V. m. §§ 1 bis 3 Eingliederungshilfe-Verordnung ergibt. Auf der Basis der sich aus Art. 25 a BTHG ergebenden Fassung eines zukünftigen § 99 SGB IX soll die Neudefinition wissenschaftlich untersucht und modellhaft erprobt werden, damit zum 1. Januar 2023 eine abschließende Konkretisierung erfolgen kann.

 

Quelle: Bundesteilhabegesetz – Wikipedia

Bayerisches Institut zur Kommunikationsförderung
für Menschen mit Hörbehinderung

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